Optimale Bedingungen für Differentialdiagnostik bei Epilepsie

Epilepsie zählt zu den häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems im Kindesalter. Viele Menschen verstehen unter dem Begriff Epilepsie ein eindrückliches Anfallsgeschehen, mit beispielsweise Streckkrämpfen und rhythmischen Zuckungen, das auch als Grand Mal bezeichnet wird. Darüber hinaus existiert jedoch eine Vielzahl von Anfallsformen mit ganz unterschiedlicher Symptomatik. Zum Teil sind diese für Beobachter kaum wahrzunehmen und können somit insbesondere im Kindesalter schnell übersehen werden.

Um den Verdacht auf eine Epilepsie, die Anfallsformen und -frequenz genau abzuklären, steht in den Ruppiner Kliniken nun ein Langzeit-Video-EEG zur Verfügung. Dies ist ein weiterer Schritt, das Sozialpädiatrische Zentrum und die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin zu einem hochspezialisierten Zentrum zur Behandlung von Epilepsien im Kindes -und Jugendalter auszubauen sowie den Schwerpunkt Kinderneurologie/Neuropädiatrie unter der Leitung von Dr. Karen Müller-Schlüter zu etablieren.

Das Langzeit-Video-EEG erfolgt stationär in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin. Momentan stehen zwei Einzelzimmer mit Rooming In (für ein begleitendes Elternteil) zur Verfügung. In diesen Einzelzimmern sind Kameras installiert, die eine 24 Stunden-Videoaufzeichnung des Kindes ermöglichen. Zudem werden den Patienten Elektroden mit Spezialklebern auf dem Kopf befestigt. So können die Experten zum einen die Kurve der Hirnströme analysieren und sehen gleichzeitig, was der Patient während eines Anfalls macht.

Je nach Art und Ausprägung der Epilepsie bzw. Häufigkeit der Anfälle kann ein stationäres Langzeit-Video-EEG ein bis drei Tage , bei Bedarf auch länger dauern.

Vorteil ist die sehr genaue Diagnostik. Je besser die Form der Epilepsie analysiert ist, desto besser können die Fachärzte für Neuropädiatrie des Sozialpädiatrischen Zentrums die Therapie festlegen.

Ergänzend besteht die Möglichkeit einer hochauflösenden Bildgebung der Hirnstrukturen mit 3-Tesla-MRT und PET. Um das diagnostische Mosaik abzurunden erfolgt bei Bedarf in Zusammenarbeit mit dem SPZ eine genaue Einschätzung der Entwicklung, Fördermöglichkeiten, Beratung, Schulung und Vermittlung von Hilfen für die Familien und Integration.

Als einer der ersten Patienten wurde Luca M. an das Langzeit-Video-EEG angeschlossen. Der 11-Jährige leidet seit seinem zweiten Lebensjahr an einer therapieschweren Epilepsie und schweren Bewegungsstörung aufgrund einer angeborenen Hirnfehlbildung. Aufgrund der hohen Frequenz seiner Anfälle (in Spitzen über 100 am Tag) war das Alltagsleben der Familie stark eingeschränkt. Mit viel Geduld und verschiedenen Therapiemaßnahmen konnte die Anfallhäufigkeit deutlich reduziert werden, ein unbeschwerteres Leben sowohl für Luca als auch seine Angehörigen ist nunmehr möglich.

Im Rahmen des stationären Aufenthaltes in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin erfolgt nicht nur die Ableitung eines EEG. Aufgrund der guten Anfallssituation ist es zum ersten Mal möglich mit Luca einen Intelligenztest durch die Psychologen durchzuführen um das Entwicklungspotential des Jungen ermessen zu können. Derzeit kann Luca in einer Schule mit sonderpädagogischem Schwerpunkt Lesen oder Zahlen lernen. Etwas, mit dem nach seiner langen Leidensgeschichte, den vielen täglichen Anfällen kaum zu rechnen war. Lernt man Luca heute kennen, ist dort ein fröhlicher, charmanter, glücklicher kleiner Junge.

Weitere Informationen zum Thema Epilepsien im Kindes- und Jugendalter finden Sie im Archiv Thema des Monats.

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