Jeden Monat neues Medizinwissen, praktische Gesundheitstipps und aktuelle Nachrichten aus dem ukrb – das bieten wir Ihnen mit dem „Thema des Monats“. Schauen Sie doch gleich einmal hinein – bestimmt ist etwas Interessantes für Sie dabei.


Rückenschmerzen umfassend behandeln
Er stützt den Menschen und ermöglicht den aufrechten Gang. Funktioniert der Rücken einwandfrei, schenken wir ihm kaum Aufmerksamkeit. Schmerzt er allerdings, rückt vor allem die Wirbelsäule ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dann interessieren wir uns für die Wirbelsäule, fragen uns, was zwischen Hinterkopf und Steißbein passiert, schenken der Halswirbelsäule, der Brustwirbelsäule, der Lendenwirbelsäule, dem Kreuz- sowie dem Steißbein unsere volle Aufmerksamkeit.
Rückenschmerzen sind ein Volksleiden
Wir schenken nicht nur den 33 einzelnen Wirbel, die den Rücken bilden, unsere Aufmerksamkeit. Auch den Bandscheiben, die zwischen den Wirbelkörpern liegen und sie vor ungleichmäßiger Abnutzung schützen, sowie den Muskeln, Sehnen und Bänder. Idealerweise spielen all diese Elemente inklusive diverser Nerven reibungslos zusammen – dann ist der Rücken stark und tut seinen Dienst.
Schmerz aus heiterem Himmel
Unangenehm wird es, wenn der Rücken streikt. Hatten Sie schon einmal einen „Hexenschuss“? So werden plötzlich auftretende Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbel beziehungsweise über dem Kreuzbein bezeichnet. Bis zu 85 Prozent der Menschen in Deutschland kennen diesen stechenden Schmerz, der aus heiterem Himmel bei Alltagsbewegungen auftritt. Heute noch hat sich die Bezeichnung aus dem Mittelalter gehalten: Das damalige medizinische Verständnis vermutete übernatürliche Wesen am Werk für den Schmerz aus heiterem Himmel – Hexen, die unsichtbare Pfeile abfeuerten.
Rückenschmerzen sind ein häufiges Problem
Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Schmerzproblemen in Deutschland. Sie können akut auftreten, werden durch eine eher alltägliche Bewegung wie beim Aufstehen oder durch Sport ausgelöst – schon seit dem Mittelalter kennt man die Bezeichnung „Hexenschuss“ dafür. Mögliche Ursachen für sind blockierte Wirbelgelenke, verspannte Muskeln oder gereizte Nerven. Der Hexenschuss ist ein Rückenleiden, das Betroffene durch den plötzlichen und heftigen Schmerz fast bewegungsunfähig macht – das aber in der Regel mit Physiotherapie, Wärmeanwendungen und schmerzlindernden Medikamenten gut zu behandeln ist.
Nicht immer ist die Ursache so klar wie beim Hexenschuss. Medizinische Fachleute sprechen dann von „funktionellen oder unspezifischen Beschwerden“. Das bedeutet, für die Schmerzen im Rücken findet sich keine eindeutige Ursache. Meist ist es ein Zusammenspiel verschiedener Gründe, wie Fehlbeanspruchung, Stress und schwache Muskeln. Hartnäckige, langdauernde (also chronische) Rückenschmerzen gehören in Deutschland zu den größten Gesundheitsproblemen.
Unterschiedliche Ursachen für Rückenschmerzen
Bei spezifischen Rückenschmerzen liegt eine medizinisch eindeutige Ursache zugrunde, zum Beispiel:
- Bandscheibenvorfall mit Einklemmung eines Nervs
- Einengung des Wirbelkanals (Spinalkanalstenose)
- Osteoporose (Knochenschwund), möglicherweise mit Wirbelfrakturen
- Arthrose (Gelenkverschleiß)
Mögliche Ursachen für nicht spezifische Rückenschmerzen sind:
- Übergewicht
- Bewegungsmangel
- Muskelverspannungen
- schlechte Haltung bzw. Sitzposition durch unergonomische Möbel am Arbeitsplatz
- unvorteilhafte Arbeitsabläufe
- Mobilitätsverlust (zum Beispiel als Unfallfolge)
Der Mensch im Mittelpunkt
Patientinnen und Patienten mit Rückenbeschwerden finden im Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg (ukrb) hervorragende medizinische Begleitung. Sowohl das Team aus Fachärztinnen und Fachärzten als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitszentrum des ukrb stellen vor allem die individuellen Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt. Physiotherapie ist eine Alternative oder eine Ergänzung zur medikamentösen oder operativen Therapie, die in der ambulanten, teilstationären und stationären Versorgung zur Rehabilitation oder Prävention angewendet wird. Als Universitätsklinikum der Medizinischen Hochschule Brandenburg vernetzt es medizinisches Know-how aus 22 Fachdisziplinen, moderne Krankenversorgung, Forschung und Lehre an einem Ort.
Untersuchung, Beratung und niemals Druck
„Wir wissen um die Vielschichtigkeit der Ursachen von Rückenschmerzen und um die Wechselwirkung von Körper und Psyche. Das berücksichtigen wir bei der Behandlung“, sagt Prof. Dr. Marec von Lehe, Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie- und Wirbelsäulenchirurgie am ukrb. Der Neurochirurg sieht sich vor allem als Berater der Patientinnen und Patienten. „Bevor wir eine Operation vorschlagen, zeigen wir alle Optionen auf, um den Betroffenen den bestmöglichen Boden für eine Entscheidung zu bereiten. Dazu arbeiten wir am Wirbelsäulenzentrum zusammen mit der Schmerzklinik und der Physiotherapie. Die Begleitung der Rückenschmerzpatientinnen und -patienten kann unter Umständen viele Monate dauern. Wir begleiten die Betroffenen auf ihrem Weg, auch über lange Zeiträume.“ Zur ärztlichen Begleitung zählt auch der Appell an die Selbstverantwortung – wer etwa überflüssige Pfunde loswird und mehr Bewegung in den Alltag bringt, trägt seinen eigenen Teil zur Rückengesundheit bei.
Stärkung der Selbstwirksamkeit
Akuter Schmerz ist ein Warnsignal. Wenn Schmerz jedoch chronisch wird, hat er seine Signalwirkung teilweise verloren und wird zur eigenständigen Erkrankung, bei der sich das schmerzverarbeitende System des Körpers verändert hat. Dr. Judith Knilli, kommissarische Leitung der Fachabteilung Schmerzmedizin des ukrb, Fachärztin für Neurologie mit Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie, gibt Einblick in ihre Tätigkeit als Schmerzmedizinerin am ukrb.
Frau Dr. Knilli, Sie behandeln Patientinnen und Patienten stationär, teilstationär, konsiliarisch und in der Hochschulambulanz Schmerzmedizin des ukrb. Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Dr. Judith Knilli: Wer zu uns kommt, wird gründlich körperlich untersucht. Wir prüfen, ob und welche körperlichen Ursachen für die Schmerzen sorgen. In Einzelfällen benötigen wir dafür auch zusätzliche apparative Diagnostik. Zudem führen wir ein ausführliches Gespräch mit den Betroffenen. In diesem ca. einstündigen Gespräch geht es um einerseits um den Entstehungsprozess des Schmerzes, also um die Dauer, die Qualität, die Intensität und bereits erfolgte Behandlungen. Und andererseits werden auch psychosoziale Faktoren angesprochen, zum Beispiel biografische Wendepunkte.
Sie wollen verstehen, was der Ursprung der Schmerzen war und wie es dazu kam, dass die Schmerzen nicht mehr weggehen?
Dr. Judith Knilli: Ja, das Wort Verstehen trifft es gut. Wir müssen verstehen, wie die Schmerzen entstanden sind, was bisher geholfen hat, was nicht und worunter der Betroffene besonders leidet. Es gibt Menschen, die leiden besonders stark darunter, dass man ihnen die Schmerzen nicht ansieht. Andere schämen sich, weil sie nicht mehr so belastbar sind und dies nicht verbergen können. Die Behandlung ist ein gemeinsamer Annäherungsprozess, eine Annäherung auch daran, welche Rolle die Schmerzen im Leben des Betroffenen spielen. Im Erstgespräch geht es daher auch um die Stimmung des von Schmerzen betroffenen Menschen. Wie bewältigt er die Situation? Wie hat sich der Alltag verändert durch die Schmerzen, kann derjenige vielleicht schlecht schlafen? Gibt es Angst vor Bewegung?
Öffnen sich die Patientinnen und Patienten denn so schnell?
Dr. Judith Knilli: Wie gesagt, es ist ein Kennenlernen, ein gemeinsamer Weg zum besseren Verstehen. Wieviel Zeit hierfür erforderlich ist, ist sehr individuell. Das ist so unterschiedlich, wie auch der Umgang eines jeden einzelnen Menschen mit sich selbst. Um nur zwei Extreme zu nennen: Manche Menschen haben keinerlei Übung darin, ihren Körper zu spüren, die neigen dazu, sich zu überfordern. Und es gibt das absolute Gegenteil. Andere horchen von Natur aus viel in sich hinein. Da kann schon die Angst vor möglichen Schmerzen schnell zu einer Schonhaltung und Minderbewegung führen. Beide Verhaltensmuster können eine Chronifizierung von Schmerz verstärken. Hier das richtige, also das individuell passende, Maß zu finden, ist häufig das Herausforderndste, aber auch das Wichtigste. Wir begleiten die Patientinnen und Patienten auf ihrem Weg und wir wissen, dass wir nur gemeinsam erfolgreich sein können. Es braucht die Motivation und Aktivität der Betroffenen und es braucht realistische Ziele.
Wir erklären offen, dass bei einer bereits bestehenden Chronifizierung der Beschwerden Schmerzfreiheit eher selten erreicht werden kann. Häufig kann jedoch die Schmerzintensität reduziert und Lebensqualität verbessert werden. Große Erleichterung haben viele Patienten auch unter einer angepassten Schmerzmedikation mit besserer Verträglichkeit.
Medikamente gegen Schmerzen sind sicherlich wichtig, aber was hat sich noch bewährt zur Schmerzlinderung bei chronischen Rückenschmerzen?
Dr. Judith Knilli: Eine Reihe von wissenschaftlichen Studien zeigt, dass wir insbesondere mit individuellen Übungsprogrammen eine relevante Linderung bei chronischem Rückenschmerz erzielen können. Wir verstehen inzwischen, dass die Schmerzlinderung mit einem personalisierten, aktiven Training um mehr als ein Drittel effektiver ist, als wenn die Übungen nicht auf die einzelnen Personen abgestimmt sind. Am effektivsten sind Behandlungssituationen, in denen wir eine Kombination aus individuellem Training und psychotherapeutischer Interventionen anbieten können, in denen zusätzlich Raum für die Reflexion über das eigene Verhalten gegeben ist, und eine vertrauensvolle Beziehung zu den Therapeuten entstehen kann. Zusammengefasst nennen wir das ein multimodales Behandlungskonzept. Im Fokus steht dabei vor jedoch allem, die Selbstwirksamkeit der Betroffenen zu stärken.
Was ist mit dem Begriff Selbstwirksamkeit gemeint?
Dr. Judith Knilli: Unter Selbstwirksamkeit versteht man, die Überzeugung, schwierige oder herausfordernde Situationen gut meistern zu können, aus eigener Kraft. Der Begriff Selbstwirksamkeit enthält jedoch bezogen auf die Schmerzmodulation noch eine ganz andere Dimension. Unser Nervensystem ist nämlich von Natur aus mit einem schmerzhemmenden System ausgestattet. So wie es Nervenbahnen gibt, die den Schmerz ins Gehirn melden, gibt es den Gegenpart in uns, die sogenannten deszendierenden, also absteigenden, schmerzhemmenden Nervenbahnen. Viele unserer Behandlungsverfahren zielen darauf ab, diese körpereigene Schmerzhemmung zu unterstützen und so der Chronifizierung, und damit der Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses entgegenzuwirken.
Seit März 2023 gibt es neben der Schmerzambulanz auch die Hochschulambulanz Schmerzmedizin am ukrb. Was wird dort geleistet?
Dr. Judith Knilli: Dorthin wenden sich Menschen mit komplexen Schmerzbiografien. Nicht selten haben die Betroffenen, die zu uns kommen, seit Jahrzehnten Schmerzen. Die Hochschulambulanz ist für neue Patientinnen und Patienten gedacht, die einer dringenden schmerztherapeutischen Ersteinschätzung oder einer interdisziplinären Abstimmung bedürfen. Wir erstellen einen Behandlungsplan und stellen damit die Weichen für das weitere Vorgehen.
"Bewegung ist die beste Medizin"
Marco Liebsch, mehr als 30 Jahre im Beruf, leitet das Therapie- und Rehazentrum am ukrb. Früher habe man mehr auf die Symptome geschaut, berichtet der erfahrene Experte: „Heute betreiben wir gemeinsam Ursachenforschung mit den Menschen, die Rückenschmerzen haben.“
47 Leute gehören zum Team von Marco Liebsch. Etwa 60 Prozent seiner Kolleginnen und Kollegen sind ausgebildet worden an der Medizinischen Bildungsakademie Neuruppin GmbH. Vor allem Fachkräfte der Physio-, Sport-, Kreativ- und Ergotherapie. Zum Team gehören auch vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich um Verwaltungsaufgaben und die reibungslose Organisation der vielen Therapiepläne kümmern, „sie sind die Herzkammer unserer Arbeit“, so der Medizinpädagoge.
Spezielles Wirbelsäulenkonzept
„Wir verfügen über ausgezeichnete Kenntnisse bei der Behandlung von Rücken- und Gelenkproblemen, weitere Schwerpunkte sind Unfallfolgen und neurologischen Erkrankungen“, erläutert er. „Wir schließen mit unseren Kompetenzen im Gesundheitszentrum die Lücke zwischen Therapie und Fitness. Wir freuen uns über jeden Menschen, der sich für seine Gesundheit interessiert und individuell betreut werden will. Unser spezielles Wirbelsäulenkonzept verbindet Bewegungsanalyse und aktives Üben mit medizinischer Kompetenz für Sport und Training.“
Ganzheitliche Betrachtung des Menschen
Als Marco Liebsch vor mehr als 30 Jahren seine Ausbildung als Physiotherapeut startete, konzentrierte man sich in seinem Beruf vor allem auf die Symptome. „Die Gesundheitsberufe sind mit der Zeit gegangen, wir betrachten inzwischen den Menschen ganzheitlich. Das heißt, auch wir fragen nach der persönlichen Lebenssituation, etwa dem Beruf und den Arbeitsbedingungen. Gibt es vielleicht wiederkehrende, gleichbleibende Bewegungen? Denn Haltungsmuster prägen die Menschen. Wir fragen auch nach der persönlichen Lebenssituation, nach sozialen Kontakten. Eine alleinerziehende Berufstätige mit zwei kleinen Kindern hat vielleicht existenzielle Sorgen, die auf ihr – und auch auf ihrem Rücken – lasten“, schildert er.
Nicht mit erhobenem Zeigefinger
Die Ostprignitz-Ruppiner Gesundheitsdienste GmbH, ein Tochterunternehmen des ukrb, betreibt das Therapie- und Rehazentrum. Dort werden für jeden Patienten und jede Patientin individuelle Übungen entwickelt. „Wir geben uns zudem viel Mühe, die Betroffenen über Risikofaktoren wie etwa zu wenig Bewegung oder zu hohes Körpergewicht aufzuklären. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, wir ermuntern sie, Bewegungsräume im Alltag (wieder) zu entdecken – das kann nämlich Spaß machen und am Ende spürt jede und jeder, wie gut das tut“, beschreibt Marco Liebsch. „Bewegung ist das beste Medikament, nicht nur für den Rücken, auch für Stoffwechselerkrankungen oder psychosomatische Leiden.“
Wissen
Rückenschmerzen umfassend behandeln
Er stützt den Menschen und ermöglicht den aufrechten Gang. Funktioniert der Rücken einwandfrei, schenken wir ihm kaum Aufmerksamkeit. Schmerzt er allerdings, rückt vor allem die Wirbelsäule ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dann interessieren wir uns für die Wirbelsäule, fragen uns, was zwischen Hinterkopf und Steißbein passiert, schenken der Halswirbelsäule, der Brustwirbelsäule, der Lendenwirbelsäule, dem Kreuz- sowie dem Steißbein unsere volle Aufmerksamkeit.
Rückenschmerzen sind ein Volksleiden
Wir schenken nicht nur den 33 einzelnen Wirbel, die den Rücken bilden, unsere Aufmerksamkeit. Auch den Bandscheiben, die zwischen den Wirbelkörpern liegen und sie vor ungleichmäßiger Abnutzung schützen, sowie den Muskeln, Sehnen und Bänder. Idealerweise spielen all diese Elemente inklusive diverser Nerven reibungslos zusammen – dann ist der Rücken stark und tut seinen Dienst.
Schmerz aus heiterem Himmel
Unangenehm wird es, wenn der Rücken streikt. Hatten Sie schon einmal einen „Hexenschuss“? So werden plötzlich auftretende Schmerzen im Bereich der unteren Lendenwirbel beziehungsweise über dem Kreuzbein bezeichnet. Bis zu 85 Prozent der Menschen in Deutschland kennen diesen stechenden Schmerz, der aus heiterem Himmel bei Alltagsbewegungen auftritt. Heute noch hat sich die Bezeichnung aus dem Mittelalter gehalten: Das damalige medizinische Verständnis vermutete übernatürliche Wesen am Werk für den Schmerz aus heiterem Himmel – Hexen, die unsichtbare Pfeile abfeuerten.
Rückenschmerzen sind ein häufiges Problem
Rückenschmerzen gehören zu den häufigsten Schmerzproblemen in Deutschland. Sie können akut auftreten, werden durch eine eher alltägliche Bewegung wie beim Aufstehen oder durch Sport ausgelöst – schon seit dem Mittelalter kennt man die Bezeichnung „Hexenschuss“ dafür. Mögliche Ursachen für sind blockierte Wirbelgelenke, verspannte Muskeln oder gereizte Nerven. Der Hexenschuss ist ein Rückenleiden, das Betroffene durch den plötzlichen und heftigen Schmerz fast bewegungsunfähig macht – das aber in der Regel mit Physiotherapie, Wärmeanwendungen und schmerzlindernden Medikamenten gut zu behandeln ist.
Nicht immer ist die Ursache so klar wie beim Hexenschuss. Medizinische Fachleute sprechen dann von „funktionellen oder unspezifischen Beschwerden“. Das bedeutet, für die Schmerzen im Rücken findet sich keine eindeutige Ursache. Meist ist es ein Zusammenspiel verschiedener Gründe, wie Fehlbeanspruchung, Stress und schwache Muskeln. Hartnäckige, langdauernde (also chronische) Rückenschmerzen gehören in Deutschland zu den größten Gesundheitsproblemen.
Unterschiedliche Ursachen für Rückenschmerzen
Bei spezifischen Rückenschmerzen liegt eine medizinisch eindeutige Ursache zugrunde, zum Beispiel:
- Bandscheibenvorfall mit Einklemmung eines Nervs
- Einengung des Wirbelkanals (Spinalkanalstenose)
- Osteoporose (Knochenschwund), möglicherweise mit Wirbelfrakturen
- Arthrose (Gelenkverschleiß)
Mögliche Ursachen für nicht spezifische Rückenschmerzen sind:
- Übergewicht
- Bewegungsmangel
- Muskelverspannungen
- schlechte Haltung bzw. Sitzposition durch unergonomische Möbel am Arbeitsplatz
- unvorteilhafte Arbeitsabläufe
- Mobilitätsverlust (zum Beispiel als Unfallfolge)
Der Mensch im Mittelpunkt
Patientinnen und Patienten mit Rückenbeschwerden finden im Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg (ukrb) hervorragende medizinische Begleitung. Sowohl das Team aus Fachärztinnen und Fachärzten als auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitszentrum des ukrb stellen vor allem die individuellen Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt. Physiotherapie ist eine Alternative oder eine Ergänzung zur medikamentösen oder operativen Therapie, die in der ambulanten, teilstationären und stationären Versorgung zur Rehabilitation oder Prävention angewendet wird. Als Universitätsklinikum der Medizinischen Hochschule Brandenburg vernetzt es medizinisches Know-how aus 22 Fachdisziplinen, moderne Krankenversorgung, Forschung und Lehre an einem Ort.
Untersuchung, Beratung und niemals Druck
„Wir wissen um die Vielschichtigkeit der Ursachen von Rückenschmerzen und um die Wechselwirkung von Körper und Psyche. Das berücksichtigen wir bei der Behandlung“, sagt Prof. Dr. Marec von Lehe, Chefarzt der Klinik für Neurochirurgie- und Wirbelsäulenchirurgie am ukrb. Der Neurochirurg sieht sich vor allem als Berater der Patientinnen und Patienten. „Bevor wir eine Operation vorschlagen, zeigen wir alle Optionen auf, um den Betroffenen den bestmöglichen Boden für eine Entscheidung zu bereiten. Dazu arbeiten wir am Wirbelsäulenzentrum zusammen mit der Schmerzklinik und der Physiotherapie. Die Begleitung der Rückenschmerzpatientinnen und -patienten kann unter Umständen viele Monate dauern. Wir begleiten die Betroffenen auf ihrem Weg, auch über lange Zeiträume.“ Zur ärztlichen Begleitung zählt auch der Appell an die Selbstverantwortung – wer etwa überflüssige Pfunde loswird und mehr Bewegung in den Alltag bringt, trägt seinen eigenen Teil zur Rückengesundheit bei.
Stärkung der Selbstwirksamkeit
Akuter Schmerz ist ein Warnsignal. Wenn Schmerz jedoch chronisch wird, hat er seine Signalwirkung teilweise verloren und wird zur eigenständigen Erkrankung, bei der sich das schmerzverarbeitende System des Körpers verändert hat. Dr. Judith Knilli, kommissarische Leitung der Fachabteilung Schmerzmedizin des ukrb, Fachärztin für Neurologie mit Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie, gibt Einblick in ihre Tätigkeit als Schmerzmedizinerin am ukrb.
Frau Dr. Knilli, Sie behandeln Patientinnen und Patienten stationär, teilstationär, konsiliarisch und in der Hochschulambulanz Schmerzmedizin des ukrb. Wie kann man sich Ihre Arbeit vorstellen?
Dr. Judith Knilli: Wer zu uns kommt, wird gründlich körperlich untersucht. Wir prüfen, ob und welche körperlichen Ursachen für die Schmerzen sorgen. In Einzelfällen benötigen wir dafür auch zusätzliche apparative Diagnostik. Zudem führen wir ein ausführliches Gespräch mit den Betroffenen. In diesem ca. einstündigen Gespräch geht es um einerseits um den Entstehungsprozess des Schmerzes, also um die Dauer, die Qualität, die Intensität und bereits erfolgte Behandlungen. Und andererseits werden auch psychosoziale Faktoren angesprochen, zum Beispiel biografische Wendepunkte.
Sie wollen verstehen, was der Ursprung der Schmerzen war und wie es dazu kam, dass die Schmerzen nicht mehr weggehen?
Dr. Judith Knilli: Ja, das Wort Verstehen trifft es gut. Wir müssen verstehen, wie die Schmerzen entstanden sind, was bisher geholfen hat, was nicht und worunter der Betroffene besonders leidet. Es gibt Menschen, die leiden besonders stark darunter, dass man ihnen die Schmerzen nicht ansieht. Andere schämen sich, weil sie nicht mehr so belastbar sind und dies nicht verbergen können. Die Behandlung ist ein gemeinsamer Annäherungsprozess, eine Annäherung auch daran, welche Rolle die Schmerzen im Leben des Betroffenen spielen. Im Erstgespräch geht es daher auch um die Stimmung des von Schmerzen betroffenen Menschen. Wie bewältigt er die Situation? Wie hat sich der Alltag verändert durch die Schmerzen, kann derjenige vielleicht schlecht schlafen? Gibt es Angst vor Bewegung?
Öffnen sich die Patientinnen und Patienten denn so schnell?
Dr. Judith Knilli: Wie gesagt, es ist ein Kennenlernen, ein gemeinsamer Weg zum besseren Verstehen. Wieviel Zeit hierfür erforderlich ist, ist sehr individuell. Das ist so unterschiedlich, wie auch der Umgang eines jeden einzelnen Menschen mit sich selbst. Um nur zwei Extreme zu nennen: Manche Menschen haben keinerlei Übung darin, ihren Körper zu spüren, die neigen dazu, sich zu überfordern. Und es gibt das absolute Gegenteil. Andere horchen von Natur aus viel in sich hinein. Da kann schon die Angst vor möglichen Schmerzen schnell zu einer Schonhaltung und Minderbewegung führen. Beide Verhaltensmuster können eine Chronifizierung von Schmerz verstärken. Hier das richtige, also das individuell passende, Maß zu finden, ist häufig das Herausforderndste, aber auch das Wichtigste. Wir begleiten die Patientinnen und Patienten auf ihrem Weg und wir wissen, dass wir nur gemeinsam erfolgreich sein können. Es braucht die Motivation und Aktivität der Betroffenen und es braucht realistische Ziele.
Wir erklären offen, dass bei einer bereits bestehenden Chronifizierung der Beschwerden Schmerzfreiheit eher selten erreicht werden kann. Häufig kann jedoch die Schmerzintensität reduziert und Lebensqualität verbessert werden. Große Erleichterung haben viele Patienten auch unter einer angepassten Schmerzmedikation mit besserer Verträglichkeit.
Medikamente gegen Schmerzen sind sicherlich wichtig, aber was hat sich noch bewährt zur Schmerzlinderung bei chronischen Rückenschmerzen?
Dr. Judith Knilli: Eine Reihe von wissenschaftlichen Studien zeigt, dass wir insbesondere mit individuellen Übungsprogrammen eine relevante Linderung bei chronischem Rückenschmerz erzielen können. Wir verstehen inzwischen, dass die Schmerzlinderung mit einem personalisierten, aktiven Training um mehr als ein Drittel effektiver ist, als wenn die Übungen nicht auf die einzelnen Personen abgestimmt sind. Am effektivsten sind Behandlungssituationen, in denen wir eine Kombination aus individuellem Training und psychotherapeutischer Interventionen anbieten können, in denen zusätzlich Raum für die Reflexion über das eigene Verhalten gegeben ist, und eine vertrauensvolle Beziehung zu den Therapeuten entstehen kann. Zusammengefasst nennen wir das ein multimodales Behandlungskonzept. Im Fokus steht dabei vor jedoch allem, die Selbstwirksamkeit der Betroffenen zu stärken.
Was ist mit dem Begriff Selbstwirksamkeit gemeint?
Dr. Judith Knilli: Unter Selbstwirksamkeit versteht man, die Überzeugung, schwierige oder herausfordernde Situationen gut meistern zu können, aus eigener Kraft. Der Begriff Selbstwirksamkeit enthält jedoch bezogen auf die Schmerzmodulation noch eine ganz andere Dimension. Unser Nervensystem ist nämlich von Natur aus mit einem schmerzhemmenden System ausgestattet. So wie es Nervenbahnen gibt, die den Schmerz ins Gehirn melden, gibt es den Gegenpart in uns, die sogenannten deszendierenden, also absteigenden, schmerzhemmenden Nervenbahnen. Viele unserer Behandlungsverfahren zielen darauf ab, diese körpereigene Schmerzhemmung zu unterstützen und so der Chronifizierung, und damit der Ausbildung eines Schmerzgedächtnisses entgegenzuwirken.
Seit März 2023 gibt es neben der Schmerzambulanz auch die Hochschulambulanz Schmerzmedizin am ukrb. Was wird dort geleistet?
Dr. Judith Knilli: Dorthin wenden sich Menschen mit komplexen Schmerzbiografien. Nicht selten haben die Betroffenen, die zu uns kommen, seit Jahrzehnten Schmerzen. Die Hochschulambulanz ist für neue Patientinnen und Patienten gedacht, die einer dringenden schmerztherapeutischen Ersteinschätzung oder einer interdisziplinären Abstimmung bedürfen. Wir erstellen einen Behandlungsplan und stellen damit die Weichen für das weitere Vorgehen.
"Bewegung ist die beste Medizin"
Marco Liebsch, mehr als 30 Jahre im Beruf, leitet das Therapie- und Rehazentrum am ukrb. Früher habe man mehr auf die Symptome geschaut, berichtet der erfahrene Experte: „Heute betreiben wir gemeinsam Ursachenforschung mit den Menschen, die Rückenschmerzen haben.“
47 Leute gehören zum Team von Marco Liebsch. Etwa 60 Prozent seiner Kolleginnen und Kollegen sind ausgebildet worden an der Medizinischen Bildungsakademie Neuruppin GmbH. Vor allem Fachkräfte der Physio-, Sport-, Kreativ- und Ergotherapie. Zum Team gehören auch vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich um Verwaltungsaufgaben und die reibungslose Organisation der vielen Therapiepläne kümmern, „sie sind die Herzkammer unserer Arbeit“, so der Medizinpädagoge.
Spezielles Wirbelsäulenkonzept
„Wir verfügen über ausgezeichnete Kenntnisse bei der Behandlung von Rücken- und Gelenkproblemen, weitere Schwerpunkte sind Unfallfolgen und neurologischen Erkrankungen“, erläutert er. „Wir schließen mit unseren Kompetenzen im Gesundheitszentrum die Lücke zwischen Therapie und Fitness. Wir freuen uns über jeden Menschen, der sich für seine Gesundheit interessiert und individuell betreut werden will. Unser spezielles Wirbelsäulenkonzept verbindet Bewegungsanalyse und aktives Üben mit medizinischer Kompetenz für Sport und Training.“
Ganzheitliche Betrachtung des Menschen
Als Marco Liebsch vor mehr als 30 Jahren seine Ausbildung als Physiotherapeut startete, konzentrierte man sich in seinem Beruf vor allem auf die Symptome. „Die Gesundheitsberufe sind mit der Zeit gegangen, wir betrachten inzwischen den Menschen ganzheitlich. Das heißt, auch wir fragen nach der persönlichen Lebenssituation, etwa dem Beruf und den Arbeitsbedingungen. Gibt es vielleicht wiederkehrende, gleichbleibende Bewegungen? Denn Haltungsmuster prägen die Menschen. Wir fragen auch nach der persönlichen Lebenssituation, nach sozialen Kontakten. Eine alleinerziehende Berufstätige mit zwei kleinen Kindern hat vielleicht existenzielle Sorgen, die auf ihr – und auch auf ihrem Rücken – lasten“, schildert er.
Nicht mit erhobenem Zeigefinger
Die Ostprignitz-Ruppiner Gesundheitsdienste GmbH, ein Tochterunternehmen des ukrb, betreibt das Therapie- und Rehazentrum. Dort werden für jeden Patienten und jede Patientin individuelle Übungen entwickelt. „Wir geben uns zudem viel Mühe, die Betroffenen über Risikofaktoren wie etwa zu wenig Bewegung oder zu hohes Körpergewicht aufzuklären. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, wir ermuntern sie, Bewegungsräume im Alltag (wieder) zu entdecken – das kann nämlich Spaß machen und am Ende spürt jede und jeder, wie gut das tut“, beschreibt Marco Liebsch. „Bewegung ist das beste Medikament, nicht nur für den Rücken, auch für Stoffwechselerkrankungen oder psychosomatische Leiden.“
Wissen
Schlaganfall – Immer ein Notfall
Wer heute in Deutschland einen Schlaganfall hat, hatte nie bessere Chancen, ohne oder mit nur geringen Einschränkungen weiter leben zu können. In Deutschland gibt es mehr als 340 Spezialstationen in Krankenhäusern, bezeichnet mit dem englischen Begriff „Stroke Unit“ („stroke“ = Schlaganfall). Auch am Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg (ukrb) versorgt diese zertifizierte Spezialeinheit Betroffene. Das Team um Dr. Tobias J. Müller, Chefarzt der Klinik für Neurologie am ukrb, kennt sich nicht nur hervorragend aus mit der schnellen Versorgung von Betroffenen, sondern auch mit den vielfältigen Therapiemöglichkeiten nach einem Schlaganfall.
Typische Symptome
Ein Schlaganfall macht sich meist durch plötzliche Lähmungen, Sehprobleme oder Sprachstörungen bemerkbar, manchmal auch durch starke Kopfschmerzen, die unter Umständen mit Übelkeit und Erbrechen oder auch Bewusstlosigkeit einhergehen. Welche Symptome auftreten, hängt vor allem davon ab, welcher Bereich des Gehirns betroffen ist. Bei einem Schlaganfall ist schnelles Handeln durch medizinische Profis erforderlich. Er ist ein Notfall, der sofort behandelt werden muss, deshalb ist bei Verdacht die erste Regel, sofort die Notrufnummer 112 zu wählen!
Kennen Sie die typischen Anzeichen eines Schlaganfalls?
Schwäche, Taubheitsgefühle und Lähmungserscheinungen: Bei einem Schlaganfall lassen sich oft eine Hand, ein Arm oder ein Bein nicht mehr richtig bewegen. Betroffene fühlen sich kraftlos, manche haben Empfindungsstörungen in Armen oder Beinen wie Kribbeln oder ein Taubheitsgefühl, so als sei der Arm oder der Fuß eingeschlafen.
Sprachstörungen: Betroffene können nicht mehr richtig sprechen, ihnen fehlen Worte oder sie nuscheln, lallen, sprechen abgehackt. In manchen Fällen treten Verständnisschwierigkeiten auf: Jemand kann andere zwar hören, versteht aber den Sinn des Gesagten nicht mehr.
Gesichtsfeldausfall: Sehschwierigkeiten treten auf. Dinge auf einer Seite des Raumes werden nicht mehr wahrgenommen, das Gesichtsfeld ist eingeschränkt. Manche sehen plötzlich eine Zeitlang auf einem Auge nichts mehr, andere sehen doppelt.
Schwindel und Gangunsicherheit: Es kann Betroffenen Probleme bereiten, das Gleichgewicht zu halten. Bei ihnen entsteht entweder das Gefühl, dass sich alles dreht wie in einem Karussell, oder dass es wie auf unruhiger See schwankt.
Kopfschmerzen: Auch plötzliche, ungewohnt heftige Kopfschmerzen können auf einen Schlaganfall hinweisen. Zunächst treten sie allein auf, unter Umständen kommen zeitverzögert andere Symptome wie Lähmungen und Bewusstseinsstörungen hinzu.
Umfassende Therapie
Wer einen Schlaganfall erleidet, braucht nach der Notfallbehandlung in der Regel eine anschließende Therapie. Manchmal müssen Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen behoben werden, in anderen Fällen geht es darum, das Sprechen oder das Laufen wieder zu erlernen. „Je nachdem, wie stark Patientinnen und Patienten durch Lähmungen oder Sprachstörungen eingeschränkt sind, kann es eine Herausforderung sein, eine ausreichende Teilhabe zu erreichen,“ sagt Chefarzt Tobias J. Müller. „Die Chancen dafür stehen allerdings wirklich gut, die Nachsorge ist im Vergleich zu früheren Jahren besser und wirksamer geworden. Viele unserer Patientinnen und Patienten sind nach der Therapie wieder funktionell unabhängig in ihrem Alltag, können also zum Beispiel wieder Einkaufen gehen.“
Der Neurologe betont allerdings auch: „Selbstverständlich ist es eine gute Nachricht, dass es moderne, verbesserte Behandlungsmöglichkeiten gibt. Doch noch besser wäre es, Schlaganfälle zu vermeiden.“ Tobias J. Müller begrüßt den Aktionstag der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfeim. Mai, der die Aufmerksamkeit auf die Risikofaktoren lenkt. Denn rund 270.000 Menschen in Deutschland erleiden jedes Jahr einen Schlaganfall. Er ist die dritthäufigste Todesursache und der häufigste Grund für Behinderungen im Erwachsenenalter.
„Jeder Mensch kann selbst etwas tun und dem Schlaganfall vorbeugen“
Ein Schlaganfall kann jede und jeden treffen, besonders gefährdet sind ältere Menschen. Chefarzt Tobias J. Müller wünscht sich ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass jeder Mensch selbst etwas dafür tun kann, einem Schlaganfall vorzubeugen. Dafür nennt er nur wenige Stichworte: Viel Bewegung im Alltag, gesundes Essen („mehr und lieber Gemüse statt Fertiggerichte“) sowie unbedingt den Verzicht auf Zigaretten. „Es lohnt sich, sein Verhalten danach auszurichten, denn 70 Prozent der Schlaganfälle sind vermeidbar“, sagt er. Zwar nimmt der Facharzt wahr, dass viele Menschen Bescheid wissen über die Risikofaktoren eines Schlaganfalls. „Allerdings lassen sie der Theorie keine Alltagspraxis folgen. Vorbeugende Maßnahmen nehmen sie als unbequem oder als scheinbaren Verzicht wahr. Dabei gewinnt jeder Mensch, der das Rauchen lässt, sich viel bewegt und vor allem Gemüse auf seinen täglichen Speiseplan setzt“, so Tobias J. Müller, der auch auf den demografischen Wandel verweist: „Wir werden immer älter, was grundsätzlich eine gute Sache ist. Mit dem Alter steigt aber auch das Schlaganfallrisiko und das Alter ist ein Faktor, den wir nicht beeinflussen können. Beim Rauchen, bei Mahlzeiten und auch bei körperlicher Aktivität haben wir allerdings Spielraum – und den sollten wir auch nutzen!“
Auch Prof. Dr. Irene Hinterseher, Leiterin der Sektion Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Ruppin-Brandenburg, möchte das Bewusstsein in der Bevölkerung dafür schärfen, durch Vorbeugung die Gesundheit zu erhalten. Sie rät ausdrücklich dazu, den Blutdruck im Blick zu behalten und regelmäßig zu kontrollieren. „Leider beobachten wir, dass Patientinnen und Patienten mit zu hohem Blutdruck das auf die leichte Schulter nehmen. Man fühlt sich nicht unbedingt schlecht mit hohem Blutdruck und so passiert es häufig, dass blutdrucksenkende Medikamente nicht so regelmäßig eingenommen werden, wie es aus ärztlicher Sicht geboten ist“, sagt Irene Hinterseher. „Auch zu hohe Fettwerte im Blut und Herzrhythmusstörungen sollten unbedingt behandelt werden!“
Freie Bahn für die Gefäße
Der Kampf gegen Schlaganfälle wird am Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg als Teamaufgabe verstanden.
Am Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg arbeiten die unterschiedlichen Fachdisziplinen eng zusammen, insbesondere beim Schlaganfall werden die Kolleginnen und Kollegen aus der Gefäßchirurgie und der Radiologie in die Therapie mit einbezogen. Prof. Dr. Irene Hinterseher, Leiterin der Sektion Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums Ruppin-Brandenburg und Vizepräsidentin der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB), ist Expertin für gesunde Gefäße und erläutert, dass Risikofaktoren eines Schlaganfalls wie mangelnde Bewegung, Nikotin und Bluthochdruck die Entstehung einer Arteriosklerose (Arterienverkalkung) begünstigen: Dabei lagern sich Stoffe wie Cholesterin, Blutzellen, Bindegewebe und Kalksalze an den Innenseiten der Blutgefäße ab. Die normalerweise elastische Gefäßwand wird zunehmend starr und ihre glatte Innenwand wird rau. An den rauen Stellen sammeln sich Ablagerungen, sodass sich das Gefäß immer mehr verengt. An diesen Engstellen drohen Gefäßverschlüsse und die Bildung von Blutgerinnseln, die dann mit dem Blutstrom ins Hirn gelangen und dort die Hirngefäße verschließen.
Bei etwa zwanzig Prozent der Schlaganfälle ist die Ursache eine Verengung der Halsschlagader. Die „Arteria carotis“ ist die große Hauptschlagader des Halses, die den Kopf und insbesondere das Gehirn mit Blut versorgt. Diese kann Gefäßchirurgin Irene Hinterseher operieren und dabei den Kalk entfernen, der das Gefäß verengt hat. Dieser Eingriff kann in Vollnarkose erfolgen, dabei wird das Gehirn mit einem speziellen Neuromonitoring während der Operation überwacht. Es ist auch möglich, die Halsschlagader unter örtlicher Betäubung zu operieren. Dabei steht die Gefäßchirurgin mit der Person, die sie operiert, in Kontakt – und kann so die Funktionsfähigkeit des Gehirns kontrollieren. „Dafür bekommt die Patientin oder der Patient während der Operation ein Kinderspielzeug in die Hand, eine Quietsch-Ente. Kann diese regelmäßig zusammengedrückt werden, arbeitet das Gehirn störungsfrei, während wir operieren“, schildert die Gefäßexpertin.

Bilder von Kopf- und Halsgefäßen geben Aufschluss über die Ursache des Schlaganfalls
Wird jemand mit einem akuten Schlaganfall in das Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg (ukrb) eingeliefert, zählt jede Sekunde. „Time is brain“, lautet der Slogan (aus dem Englischen, übersetzt „Zeit ist Hirn“), der verdeutlicht, wie wichtig das schnelle ärztliche Handeln ist. Das Gehirn eines Betroffenen soll möglichst schnell wieder mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt werden können.
In der Regel wird der Kopf mit einer Computertomographie (CT) oder einer Magnetresonanztomographie (MRT) untersucht. Diese Bilder helfen zu unterscheiden, ob eine Hirnblutung oder ein Hirninfarkt (siehe Infokasten) vorliegt. Dementsprechend wird die weitere Behandlung eingeleitet.
Das kann zum Beispiel die Thrombolyse sein: Dabei wird ein Medikament verabreicht, das das Blutgerinnsel auflösen und somit das verschlossene Hirngefäß wieder eröffnen soll. Das Zeitfenster dafür ist eng, die Therapie sollte möglichst innerhalb von viereinhalb Stunden nach Auftreten der ersten Schlaganfall-Symptome beginnen.
Eine weitere Methode ist die Thrombektomie. Sie wird bei Blutgerinnseln angewandt, die größere hirnversorgende Gefäße verschließen. Bei diesem Verfahren bringt man über die Leiste einen dünnen Schlauch (Katheter) in das Gefäßsystem ein. Die Spitze dieses Schlauchs wird im verschlossenen Hirngefäß bis an das Blutgerinnsel herangeführt. Dann wird das Blutgerinnsel entfernt: entweder durch Absaugen oder indem man das Gerinnsel mit einem feinen Drahtgeflecht (Stent) erfasst und herauszieht.
Im ukrb beherrschen die Radiologen diese spezielle neuroradiologische Methode und das Team um Chefarzt Dr. Reimund Parsche steht dafür Tag und Nacht mit einer Rufbereitschaft zur Verfügung. Die Radiologen können in speziellen Fällen auch einen Stent in die Verengung der Halsschlagader setzen, um diese wieder zu eröffnen. Dies wird meist im interdisziplinären Gefäßkonsil beraten: Dazu besprechen sich Kolleginnen und Kollegen der Neurologie, Radiologie, Gefäßchirurgie und Angiologie.
Wissen
Kopfschmerz – das Schraubstockgefühl.
Der Schädel brummt. Die Schläfen pochen. Das Hämmern unter der Schädeldecke ist kaum auszuhalten. Wenn von Kopfschmerzen die Rede, redet man meist von Spannungskopfschmerzen oder Migräne – denn sie sind mit Abstand am häufigsten.
Mehr als 200 Arten
Kopfschmerz ist nicht gleich Kopfschmerz. Man unterscheidet weit mehr als 200 Arten. Bei manchen Menschen ist der Kopfschmerz kein Symptom für eine andere Erkrankung, der Kopfschmerz ist die Erkrankung selbst. Zu diesen sogenannten primären Kopfschmerzen gehören Migräne, Cluster- und Spannungskopfschmerz.
Die häufigste Kopfschmerzform ist der Spannungskopfschmerz. Mehr als die Hälfte aller Kopfschmerzen ist von diesem Typ. Dieser ist zwar lästig, aber eigentlich kann man damit fast alles machen, was man auch ohne Kopfschmerzen machen würde. Der Schmerz tritt meist beidseitig auf und wird von Patienten als dumpf-drückend beschrieben, als ob ein Ring um den Kopf gespannt ist. Er kann zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden andauern. Circa 15 bis 20 Prozent der Deutschen leiden unter Migräne – ein meist einseitig hämmernder Kopfschmerz, der Betroffene zur Bettruhe zwingt. Zudem ist ihnen oft übel, sie müssen sich übergeben, sind licht-, lärm- und mitunter auch geruchsempfindlich. Die Attacken dauern mehrere Stunden, selten auch bis zu drei Tage. Der vergleichsweise seltene, überwiegend bei Männern auftretende Clusterkopfschmerz wird als besonders belastend empfunden. Es ist ein einseitiger Schmerz im Augenbereich, von dem Betroffene sagen, er fühle sich an, als ob ein Messer durch ein Auge in den Kopf gestochen werde. Die Attacken können zwischen 15 Minuten und drei Stunden dauern und mehrfach am Tag, aber auch nachts auftreten. Begleitend hängt oft ein Augenlid herab, die Nase läuft oder ist verstopft, oder das Auge tränt. Behandelt werden die Betroffenen mit Triptanen - entweder als Nasenspray oder als Injektion – oder mit Sauerstoff, den sie über eine Maske inhalieren. Andere Medikamente können auch vorbeugend verabreicht werden. Insgesamt gibt es mehr als 100 idiopathische Kopfschmerzsyndrome – das sind Kopfschmerzen, deren Ursache man nicht kennt. Potentiell gefährliche Kopfschmerzen treten z. B. nach Kopfverletzungen auf und können Blutungen zwischen dem Gehirn und dem Schädelknochen anzeigen, die operativ behandelt werden müssen. Als akuter Notfall ist die spontane, also nicht durch Gewalteinwirkung entstehende, Hirnblutungen aufzufassen, die in der Regel zu schlagartigen Kopfschmerzen führt (Donnerschlagkopfschmerz). Auch die Hirnhautentzündung verursacht Kopfschmerzen, dann aber in der Regel zusammen mit Fieber und Nackensteifigkeit. Kopfschmerzen können auch bei Thrombosen von Hirnvenen, Entzündungen von Arterien am Kopf, bei Hirntumoren, bei vermindertem Abfluss des Hirnwassers (Liquor) und vielen snderen körperlich begründbaren Erkrankungen auftreten. Diese Erkrankungen sind aber zum Glück selten.
Was tun, wenn der Kopf schmerzt?
Mögliche Therapien und Präventionsmaßnahmen
Wenn leichte Kopfschmerzen ohne Begleitsymptome nur selten auftreten, ist in der Regel keine spezielle Diagnostik notwendig. Bei regelmäßigen oder starke Kopfschmerzen, die vielleicht sogar eine ansteigende Attackenfrequenz aufweisen, sollte man unbedingt den Hausarzt informieren. Dieser entscheidet dann, ob Blutuntersuchungen und/oder ein Bild vom Kopf – in der Regel über das Verfahren der Magnetresonanztomographie (MRT) – erforderlich sind oder eine Vorstellung beim Neurologen sinnvoll wäre. Auch kann es notwendig sein, Augenarzt oder Zahnarzt aufzusuchen, um auszuschließen, dass die Kopfschmerzen mit den Augen oder Zähnen zu tun haben. Im Falle eines Donnerschlafkopfschmerzes, also eines Kopfschmerzes, der plötzlich auftritt und extrem stark ausgeprägt ist, muss unmittelbar ein Bild vom Kopf angefertigt werden – zumeist eine Computertomographie (CT). Im Falle eines solchen Kopfschmerzes sollte sofort der Rettungsdienst über den Notruf 112 alarmiert werden.
Ursachen und Auslöser
Die genaue Ursache der häufigsten Kopfschmerzformen – Migräne und Spannungskopfschmerz – konnte bisher nicht geklärt werden. Es gibt jedoch Auslöser. Bei der Migräne sind es z.B. plötzlicher Stress, Veränderungen des Tagesrhythmus, starke Emotionen, hormonelle Veränderungen, das Auslassen von Mahlzeiten, Überanstrengung und Erschöpfung. Migräne und Spannungskopfschmerz gehören zu den Kopfschmerzen-Arten, die unangenehm, aber nicht gefährlich sind. Gleiches gilt für den Kopfschmerz nach Alkoholgenuss („Kater“) oder den Kopfschmerz, der entstehen kann, wenn man nach regelmäßigem Kaffeegenuss plötzlich aufhört, Kaffee zu trinken. Auch manche Medikamente können Kopfschmerzen auslösen. Wer regelmäßig Schmerzmittel gegen Kopfschmerzen nimmt, kann schließlich durch diese Medikamente selbst Kopfschmerzen bekommen – den sog. Schmerzmittelkopfschmerz. Viel seltener als Migräne und Spannungskopfschmerz sind gefährliche Kopfschmerzen, die eine greifbare Ursache haben und zwingend behandelt werden müssen. Hierzu gehören beispielsweise Kopfschmerzen, die bei Hirnblutungen auftreten. Diese kommen nicht selten plötzlich, erreichen innerhalb weniger Sekunden ein extremes Ausmaß („Donnerschlagkopfschmerz“) und gehen oft auch mit anderen Symptomen wie Halbseitenlähmung, Sprachstörung oder Bewusstseinsstörung (Koma) einher. Im Falle derartiger Kopfschmerzen muss sofort der Rettungsdienst über den Notruf 112 alarmiert werden. Auch bei anhaltenden Kopfschmerzen nach einem Sturz oder Schlag auf den Kopf sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Auch hier können sich Blutungen innerhalb des Schädels entwickeln, die lebensbedrohlich sein können. Prinzipiell gilt, dass jeder Kopfschmerz, der ungewohnt ist und nicht nach wenigen Tagen verschwindet, mit dem Hausarzt besprochen werden sollte, damit dieser dann entscheidet, ob weitere Maßnahmen erforderlich sind.
Therapiemöglichkeiten
Für den „gewöhnlichen“ Kopfschmerz (Spannungskopfschmerz) sind in der Regel keine Medikamente notwendig. In Ausnahmefällen, wenn der Schmerz übermäßig störend ist, darf ein Kopfschmerzmittel eingenommen werden, z.B. Paracetamol, Ibuprofen oder auch ein Kombinationspräparat, in dem mehr als ein Wirkstoff enthalten ist, z.B. auch Koffein. Die im Beipackzettel vermerkte Höchstdosis pro Tag muss unbedingt eingehalten werden. Patienten, die noch andere Medikamente nehmen oder an andere Erkrankungen leiden, müssen mit dem Hausarzt besprechen, welches Medikament gegen Kopfschmerzen für sie geeignet ist. Die genannten Medikamente können auch bei Migräneattacken erfolgreich sein, müssen aber frühzeitig in der Attacke eingenommen werden. Sollten diese Medikamente nicht erfolgreich sein, können auch spezifische Migräne-Medikamente (sog. Triptane) eingesetzt werden. Bis auf ein Präparat sind alle Triptane rezeptpflichtig. Manche Triptane können auch als Nasenspray oder als Injektion angewendet werden, was vor allem für die Patienten hilfreich ist, die im Rahmen ihrer Migräneattacken unter starker Übelkeit leiden. Patienten, die unter sehr häufigen Migräneattacken leiden, können eine vorbeugende tägliche Behandlung mit speziellen Medikamenten durchführen, welche die Kopfschmerzhäufigkeit reduzieren. Es wird demnächst vermutlich eine weitere Möglichkeit geben, die Häufigkeit von Migräneattacken zu reduzieren, nämlich mittels einer monatlichen Injektion eines neuartigen Medikamentes. Noch ist dieses Präparat aber nicht zugelassen und somit auch noch nicht verfügbar. Problematisch sind chronische Kopfschmerzen (Kopfschmerzen, die an mehr als 15 Tagen im Monat auftreten). Hier sind die Schmerzmittel-induzierten Kopfschmerzen, die chronische Migräne und der chronische Spannungskopfschmerz zu nennen. Diese Erkrankungen erfordern in der Regel eine fachärztliche Therapie, z.B. vom Neurologen oder Schmerztherapeuten. Manchmal ist eine stationäre Schmerztherapie hilfreich, die dann in der Regel als multimodale Schmerztherapie durchgeführt wird. Dabei wird der Schmerz von verschiedenen Seiten angegangen (Psychologie, Physikalische Therapie, Entspannungstherapie, Schmerzmittel etc.) mit dem Ziel, die Schmerzhäufigkeit nachhaltig zu reduzieren. Die gefährlichen Kopfschmerzursachen werden spezifisch behandelt – die Hirnblutung auf der Schlaganfallstation oder neurochirurgisch, die Blutungen in Folge von Verletzungen neurochirurgisch und die Hirnhautentzündung mittels Antibiotika.
Vorbeugung
Wer häufig unter Kopfschmerzen leidet, sollte dies zunächst mit dem Hausarzt besprechen. Wenn keine körperlichen Ursachen vorliegen, helfen oftmals auch nicht-medikamentöse Maßnahmen, um die Häufigkeit der Kopfschmerzattacken zu vermindern:
- Auslöser vermeiden: Viele Patienten führen ein Schmerztagebuch, in dem sie ihre Migräneattacken verzeichnen inklusive Angaben zur Ernährung, möglichen Stresssituationen etc. So lassen sich mit der Zeit oft Rückschlüsse zu möglichen Schmerzauslösern ziehen, die es dann zukünftig zu vermeiden gilt.
- drei- bis fünfmal pro Woche 30 Minuten Ausdauersport
- Vermeiden eines häufigen Schmerzmittelgebrauchs
- Erlernen und Anwenden von Stressbewältigungs- und Entspannungstechniken (z.B. autogenes Training, progressive Muskelrelaxation